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Es ist Zeit, um aufzustehen!


Wir sitzen Tag ein, Tag aus, rund um die Uhr. Unser tägliche Bewegungsanteil ist in dem vergangenen Jahrhundert drastisch gesunken. Wir haben es tatsächlich verlernt, uns ausreichend zu Bewegen. Der Sport- und Präventionsexperte Prof. Dr. Ingo Froböse von der Sporthochschule Köln sprach schon während der Covid-19-Pandemie von einer „Bewegungsmangel-Pandemie“. So saß im Jahr 2021 die deutsche Bevölkerung im Schnitt 8,7 Stunden. Im vergangenen Jahr 2023 ist der Wert trotz Beendigung der Pandemie nochmal gestiegen auf 9,2 Stunden. In der Altersstufe von 18-29 Jahren sind es bereits über 10 Stunden am Tag (DKV-Report 2023).

Männer sitzen auf einer Bank

„Sitzen ist das neue Rauchen“ – Dieser Spruch ist Dir sicher schon einmal begegnet. Auch wenn der Spruch mittlerweile schon etwas in die Jahre gekommen und recht polemisch ist, so bleibt die Kernaussage aktueller denn je. Die WHO schätzt die durch körperliche Inaktivität jährlich verursachten Kosten weltweit auf 27 Milliarden US-Dollar (Global status report on physical activity 2022). Folglich ist der aus den langen Sitzzeiten resultierende Bewegungsmangel ein Grund zur Sorge, denn es wirkt sich nicht nur auf die individuelle Gesundheit aus, sondern auch auf das Gesundheitssystem und die Gesellschaft. Daher lohnt es sich, dem Thema und den Folgen mehr Aufmerksamkeit zu schenken und mehr in die Tiefe zu gehen. 



Nähert sich die Evolution dem Stillstand?


Der Drang zur (Fort-)Bewegung war für unsere Vorfahren essenziell. Wären unsere Vorfahren „nicht in die Gänge gekommen“, hätten die Hominiden den afrikanischen Kontinent nie verlassen und vermutlich sich den veränderten Umweltbedingungen nur bedingt anpassen können. Die damaligen Beweggründe waren also nicht nur einer explorativen Natur geschuldet, sondern der Bewegungsdrang entstand durch die Veränderung der Umgebung. Waren es klimatische Veränderungen, natürliche Fressfeinde oder ein vermindertes Nahrungsangebot – am Ende waren unsere Vorfahren immer dazu verdammt, sich zu bewegen, um den Erhalt der Spezies zu sichern. Erst durch die Sesshaftigkeit und dem Beginn der Landwirtschaft, haben wir unser “Jäger/Fischer-und-Sammler-Dasein" aufgegeben, was vielfältige Folgen hatte. Durch großflächigen Anbau konnten zunehmen mehr Menschen versorgt werden, die Siedlungen wuchsen weit über die bisherigen Gemeinschaften hinaus, Nutztiere nahmen uns allmählich die schwere körperliche Arbeit ab und durch den innovativen Fortschritt erleichterten wir uns zunehmen den Alltag.

Die industrielle Revolution war vermutlich der nächste große Quantensprung, was die Auslagerung an körperlicher Arbeit angeht. Vom Nutztier, zur Dampfmaschine, bis hin zum Computer. Die bisherige Entwicklung der körperlichen Aktivität scheint aus dem Blick der Geschichte rückläufig zu sein.

 


Zu viel Sitzen verändert alles


das Bild zeigt eine Masse von Menschen die sich bewegt. Das Foto ist von oben aufgenommen - aus der Vogelperspektive.

Der Begriff „emovere“ entstammt dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „in Bewegung setzen“ – Emotionen sind folglich der körperliche Ausdruck unserer wahrgenommenen Reize. Sie sind ein wahrhaftiger Bewegungsantreiber.

Durch die Evolution hat unser Körper auf bestimmte Reize mit einem unbewussten Bewegungsdrang reagiert. Waren wir Hunger, Durst, Hitze, Kälte, Angst, Libido oder der Neugier ausgesetzt, aktivierten sich die SPA-Gene (spontaneuous physicial activity), um mit einer adäquaten Lösung auf den Reiz zu antworten. Der Körper reagiert heute noch exakt gleich, wenn er ab und zu solche Reize erfährt. Nur gibt es für die Stressoren, welche uns vor einigen Jahrhunderten noch zum aktiven Handeln angeregt haben, heutzutage genügend externe Lösungen, die uns das Leben erleichtern. So müssen wir uns nicht mehr stundenlang auf die Jagd begeben, über Wochen hinweg der Kälte entfliehen, sich ständig um Nachschub von Feuerholz kümmern oder vor Fressfeinden in Sicherheit bringen. Wie so oft in unserem Körper, gilt hier dann das Prinzip „use it, or lose it“: Der Körper verlernt adäquat zu reagieren und wird so deutlich stressempfindlicher bzw. kann bereits kleine Stressoren nicht ausreichend regulieren. Außerdem kommen wir nicht mehr in Bewegung, um unser ursprüngliches Bedürfnis zu stillen. Das Resultat: Ein chronisch gestresster Körper mit chronischem Bewegungsmangel.

 


Das bringt viele mögliche Folgen mit sich…

 

Die am häufigsten erwähnten Folgen von zu langen, ununterbrochenen Sitzepisoden betreffen das Herz-Kreislauf-System und eine insgesamt höhere Mortalitätsrate (Taylor, W.C., 2011; Bailey D.P. et al., 2019; Henschel B et al., 2022). Hierbei wurde explizit betont, dass lange und ununterbrochene Sitzzeiten nicht nur durch sportliche Aktivitäten ersetzt werden kann. Es braucht die so unglaublich wichtige Alltagsbewegung, gerade um diese Sitzzeiten zu unterbrechen.


Eine ebenso problematische Entwicklung, neben den Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System, zeigt sich im erhöhten Risiko in der Entstehung von Diabetes und dem Metabolischem Syndrom (Edwardson et al., 2012). Crichton & Alkerwi (2015) untersuchten unter 1331 erwachsene LuxemburgerInnen die Zusammenhänge zwischen Sitzzeiten und körperlicher Aktivität mit Blick auf die Blutfette (Triglyzeride, LDL-, HDL- und Gesamtcholesterin). Hier konnte gezeigt werden, dass sowohl körperliche Aktivität als auch eine verringerte, tägliche Sitzzeit an sich dazu ausreicht, die HDL-Werte zu verbessern. Für normalgewichtige Erwachsene konnte ebenfalls eine positive Veränderung der Triglyzeridwerte, der LDL- und Gesamtcholesterinwerte durch verringerte Sitzzeiten gemessen werden.


Auch der Knochen leidet unter zu viel Inaktivität im Sitzen. Um einen stabilen und belastbaren Knochen zu erhalten, bedarf es neben wichtigen Nährstoffen auch eine entsprechende Belastung. Der Knochen passt sich nämlich den Zug- und Druckverhältnissen an, denen er ausgesetzt ist. Wird der Knochen viel belastet, baut sich der Knochen entsprechend um, damit er den Belastungen auf Dauer standhält. Fehlt diese regelmäßige Belastung, so lässt die Knochendichte über die Zeit nach.


Diese und viele weitere mögliche Folgen veranlassen, dass unsere weltweite Gesundheitsorganisation ein Minimum an Bewegung im Alltag befürwortet.



Die WHO empfiehlt mindestens 150min/Woche moderate Aktivität – was hat das für Vorteile?

 

aViele Prozesse und Mechanismen werden durch regelmäßige aktive Pausen und Bewegung angeregt. Nicht nur die Knochendichte passt sich den Belastungen im Alltag an, auch das Herz-Kreislauf-System und die Thermoregulation sind auf wiederkehrende Reize angewiesen. Allgemein entsteht ein Energieshift von Gehirn zur Muskulatur. Dies verringert den Triglyceridwert im Blut und erhöht nach einer aktiven Unterbrechung beim anschließenden Sitzen die Fettverbrennung. Die Anpassung an die wechselnden Umstände (Sitzen, Stehen, Bewegen, Ruhen) macht uns metabolisch flexibler und stresstoleranter.



Wie also kannst Du noch heute etwas verändern?

 

Wichtig ist, die Sitzzeit zu unterbrechen und nicht zu versuchen diese nur mit sportlichen Aktivitäten am Abend zu kompensieren. Und wenn die Ausrede heißt: „Ich weiß das ja alles, aber es geht im vollen Alltag auch einfach immer unter und dann vergesse ich mich zu bewegen.“ Dann greife zurück auf Hilfsmittel wie einem Timer/Stoppuhr beispielweise am Handy. Auch weitere Motivationsanreize, wie ein gegenseitiges Erinnern und Pausieren mit anderen Kollegen, sind hilfreich. Und gemeinsam macht es noch viel mehr Spaß.

 

  1. Die einfachste Sitzpause/ Sitting break: Jede Stunde aufstehen und für 2 min intensiv bewegen. Hier eignen sich u.a. Skippings, Tappings, Jumping Jacks, Kniehebelauf etc. um die Herzfrequenz zu erhöhen und kurz mal richtig außer Atem zu sein

  2. Alltagsbewegung fördern durch Wege zu Fuß & mit dem Fahrrad / eine Station früher aussteigen / Treppe statt Rolltreppe / Spielen mit Kindern und Haustieren / Tanzen

  3. Wechselnde Sitz-/Stehpositionen nicht nur am Arbeitsplatz (z.B. Stehtisch), auch Zuhause und unterwegs

 


Also auf geht’s und es ist Zeit, um AUFZUSTEHEN !


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